Diese Artikelreihe ist der Auftakt einer mehrteiligen Kolumne über die ökologische Qualität finnischer Gewässer, ihre Bedeutung für den Angeltourismus und die Herausforderungen, denen sich das Land im Bereich Gewässer- und Fischartenmanagement stellen muss.
Finnland ist mit über 180.000 Seen, endlosen Flussläufen und einem faszinierenden Artenreichtum eines der Top Angelreviere in Europa. Die unberührte Natur, das saubere Wasser und die Vielfalt an Fischarten wie Zander, Hecht, Barsch, Lachs oder Äsche machen das Angeln in Finnland zu einem einzigartigen Erlebnis – sowohl für Einsteiger als auch für passionierte Angler.
Und doch fliegt Finnland als Angelziel in Europa oft unter dem Radar. Während viele Angler sich auf bekannte Reviere in Norwegen, Schweden oder sogar Mitteleuropa konzentrieren, bietet Finnland eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten – und das mit einer besonders hohen ökologischen Qualität der Gewässer. Aber wie stabil ist dieses Gleichgewicht wirklich?
Welche Auswirkungen haben Klimawandel, Nutzungskonflikte oder invasive Arten auf die Gewässerökologie? Und wie kann nachhaltiges Fischereimanagement dabei helfen, die außergewöhnliche Naturbasis des Landes langfristig zu erhalten?
Um diese Fragen besser zu verstehen, haben wir mit Dr. Petri Suuronen gesprochen. Er zählt zu den renommiertesten Experten Finnlands, wenn es um Fischereiforschung und Gewässermanagement geht. Seit mehr als vier Jahrzehnten befasst er sich mit der ökologischen Bewertung von Gewässern, der Entwicklung nachhaltiger Nutzungskonzepte und der Lösung von Interessenskonflikten zwischen Mensch und Natur. Seine Perspektive liefert einen wertvollen Blick hinter die Kulissen der finnischen Wasserlandschaft – und ist für alle spannend, die sich für das Angeln in Finnland interessieren oder den Erhalt dieses besonderen Naturerbes unterstützen möchten.
Von Lars Hahne
6. August 2025
Ein großer Teil der finnischen Seen befindet sich in einem guten bis sehr guten ökologischen Zustand – vor allem die größeren Seen und jene im Norden des Landes zeigen eine bemerkenswert intakte Natur. Diese Gewässer profitieren von geringem Nutzungsdruck, einer vergleichsweise niedrigen landwirtschaftlichen Belastung und der generell niedrigen Bevölkerungsdichte, was sie zu wertvollen Refugien für viele Fischarten macht. Besonders im Vergleich zu Mitteleuropa schneiden finnische Seen ökologisch deutlich besser ab – sowohl hinsichtlich der Wasserqualität als auch der Fischbestände.
Ein weiterer markanter Unterschied ist die enorme Fülle an Gewässern: Finnland verfügt über zehntausende Seen und ein weitverzweigtes Netz an Flüssen. Diese Vielfalt an Lebensräumen führt dazu, dass die Fischbestände im Land nicht nur deutlich artenreicher, sondern auch in einem insgesamt besseren Zustand sind als in vielen mitteleuropäischen Regionen.
Auch in Süd- und Südwestfinnland, wo kleinere, flache Seen von Eutrophierung betroffen sind – also einer Überdüngung der Gewässer, bei der zu viele Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff ins Wasser gelangen und dadurch das Algenwachstum stark zunimmt, was die Wasserqualität verschlechtert – zeigen sich zunehmend positive Entwicklungen. Dank verstärkter Umweltschutzmaßnahmen und nachhaltiger Landwirtschaft konnten manche dieser Seen bereits stabilisiert oder in ihrer Wasserqualität verbessert werden. Durch gezielte Renaturierungsprojekte und ein wachsendes Umweltbewusstsein sind weitere Fortschritte zu erwarten.
Bei den Flüssen ist die Situation trotz mancher Belastungen wie Sedimenteinträgen, Verbauungen und Wanderhindernissen insgesamt stabil. Zwar stellen diese Faktoren Herausforderungen dar, doch rund 65 % der Fließgewässer werden weiterhin als ökologisch gut eingestuft – mit einer erfreulichen Tendenz zur Verbesserung. Naturschutzprojekte und neue Fischwanderhilfen unterstützen die Erholung der biologischen Vielfalt und helfen wandernden Arten wie der Meerforelle, sich wieder besser zu verbreiten. Dennoch gilt es auch in Finnland, dem Rückgang an Wanderfischen, der ähnlich wie in Mitteleuropa durch Lebensraumverluste und Barrieren in Flüssen verursacht wird, aktiv entgegenzuwirken.
Besonders positiv ist die insgesamt sehr gute chemische Wasserqualität in Finnland hervorzuheben. Die relativ geringe Belastung durch Schwermetalle oder Industriechemikalien ist ein großer Vorteil und zeigt, dass die finnischen Gewässer im europäischen Vergleich zu den saubersten zählen – eine hervorragende Grundlage für nachhaltiges Angeln in Finnland.
Gibt es Gegenden in Finnland, bei denen Sie sagen würden: „Hier müssen wir besonders vorsichtig sein“ – oder umgekehrt: „Diese Region macht vieles richtig“?
In Finnland sind größere und tiefere Seen meist in einem besseren ökologischen Zustand als kleinere, flachere Gewässer. Besonders positiv fällt das riesige Seengebiet im Osten und Zentrum des Landes auf – das sogenannte Finnische Seengebiet (Finnish Lakeland). Diese beeindruckende Landschaft aus zehntausenden miteinander verbundenen Seen gilt insgesamt als ökologisch sehr gut erhalten und ist zugleich ein einzigartiges Naturparadies.
Weniger gut ist der Zustand der Seen hingegen im Südwesten Finnlands. In dieser Region belasten vor allem Nährstoffeinflüsse aus der Landwirtschaft die Gewässer. Besonders betroffen sind flache, nährstoffreiche Seen (eutrophierte Seen), die in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten liegen. Hier ist die Wasserqualität oftmals deutlich beeinträchtigt – umso wichtiger sind gezielte Schutzmaßnahmen und eine nachhaltige Flächennutzung.
Wir hören oft vom globalen Klimawandel – aber wie machen sich diese Veränderungen konkret in den finnischen Seen und Flüssen bemerkbar?
Der Klimawandel beeinflusst die Binnengewässer Finnlands auf vielfältige Weise. Besonders in flachen Seen ist ein deutlicher Anstieg der Wassertemperaturen zu beobachten. Gleichzeitig verschlechtert sich häufig die Wasserqualität und der Sauerstoffgehalt nimmt ab – insbesondere bei höheren Temperaturen.
Auch die Dauer der Eisdecke hat sich verändert: Die Seen frieren später zu und tauen früher auf. Diese klimatischen Veränderungen beeinflussen direkt die Lebensbedingungen vieler Wasserorganismen – darunter auch Fische. Die Verbreitungsgebiete zahlreicher Fischarten verschieben sich. Einige Arten wandern weiter nach Norden oder passen sich neuen Bedingungen an, während andere zunehmend aus bestimmten Regionen verschwinden.
Was bedeutet das für Angler?
Für Angler kann der Klimawandel kurzfristig sogar zu besseren Fangchancen bei bestimmten Fischarten führen: Zander und Barsch profitieren derzeit von den steigenden Wassertemperaturen. Sie finden in vielen finnischen Gewässern verbesserte Lebensbedingungen (z. B. durch ein größeres Vorkommen von Beutefischen), und der Zander breitet sich zunehmend großflächiger in nördlichere Gewässer aus. Der Barsch war schon immer weit verbreitet, doch die Bestände werden stärker. Zander kamen früher nur in den südlichen finnischen Seen vor; heute kann man sie bis hinauf auf die Breiten von Kuusamo fangen – deutlich weiter nördlich als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wer heute eine Angeltour nach Finnland plant und gezielt auf diese Arten geht, hat vielerorts hervorragende Chancen – besonders in den südlichen Regionen oder in flacheren Seen.
Deshalb ist es besonders wichtig, beim Angeln in Finnland auf Nachhaltigkeit zu achten, die Natur zu respektieren und Veränderungen im Gewässer aufmerksam zu beobachten. Denn nur so bleibt das Angeln in Finnland auch in Zukunft ein einzigartiges Naturerlebnis.
Wie ist der aktuelle Zustand der biologischen Vielfalt in Seen und Flüssen – und haben sich in den letzten Jahren Veränderungen gezeigt?
Die biologische Vielfalt in vielen Finnlands Binnengewässern hat sich dank besserer Abwasserbehandlung in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Dennoch bleiben Herausforderungen wie Eutrophierung (Überdüngung) in Seen, Verschlammung in Flüssen und der Klimawandel bestehen.
Besonders wandernde Fischarten sind durch Flussverbauungen (z. B. Wasserkraftwerke) gefährdet. Arten wie der Binnenlachs im Saimaa-See gelten als bedroht. Um dem entgegenzuwirken, setzt Finnland auf eine nationale Strategie zur Wiederherstellung der Fischdurchgängigkeit, Renaturierungen sowie umfangreiche Fischbesatzprogramme.
Ziel ist es, natürliche Lebensräume zu schützen, Wanderbarrieren zu beseitigen und langfristig nachhaltige Fischerei sicherzustellen. Gleichzeitig wird die Überfischung bekämpft und der Fortbestand vielfältiger Fischbestände aktiv gefördert.
Auch für den Angeltourismus in Finnland ist das wichtig: Gesunde Fischbestände und stabile Ökosysteme sind die Grundlage für ein hochwertiges, nachhaltiges Angelerlebnis. Das Natural Resources Institute Finland (Luke) liefert regelmäßig Daten und Analysen, die Fischereibetrieben und touristischen Anbietern helfen, verantwortungsvoll zu planen.
Wie geht Finnland mit Herausforderungen wie gebietsfremden Arten oder abnehmenden Fischbeständen um?
Ein wachsendes Problem für die Biodiversität der Binnengewässer sind invasive Arten. Ein Beispiel ist der Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus), ursprünglich aus Nordamerika. In Süd-Finnland wurde er bereits in kleinen Gewässern entdeckt. In anderen Teilen Europas hat er massive ökologische Schäden verursacht. Breitet sich diese Art in größere finnische Seen aus, ist eine Kontrolle kaum noch möglich – mit potenziell gravierenden Folgen für heimische Fischarten.