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Musta Mäntyjärvi

Musta Mäntyjärvi – Wildnis, Hechte und ganz besondere Momente

Im Mai war ich in Ostfinnland unterwegs, um Unterkünfte zu testen und potenzielle Partner zu treffen. Mein vierter Stopp auf dieser Reise führte mich nach Musta Mäntyjärvi – eine Hütte mitten im Nirgendwo, ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Für viele Finnen normal – für mich war es eine ganz besondere Erfahrung.

Author Lars Hahne - FISHERMANS LODGE

Von Lars Hahne

23. Juli 2025


Ich traf Matti, meinen Gastgeber, in Joensuu. Sein Bootshaus ist nicht nur schick eingerichtet, sondern auch ein kleiner Angelladen und Startpunkt seiner Kanuangeltrips die er als Guide organisiert. Bei einer Tasse Kaffee gab er mir ein paar Tipps mit auf den Weg. Matti ist nicht nur Angelguide und absoluter Angelprofi, sondern auch offizieller Angelaufseher – er kennt jeden Trick, jede Regel und Vorschrift. Die Angelkarten für seinen privaten See hatte er mir netterweise schon vorab geschickt.

Gemeinsam mit seiner Frau, seinen zwei Hunden und einem Angelkajak machten wir uns auf den Weg nach Uimaharju– etwa eine Stunde Fahrt durch dichte finnische Wälder, auf nahezu leeren Straßen. Schon die Anreise fühlte sich nach Abenteuer an.

Blick aufs KotaBlick aufs Kota

Am Ziel angekommen verschaffte ich mir einen ersten Eindruck.
Mitten im Wald steht eine große, typisch finnische Kota – eigentlich eine Grillhütte, traditionell zum Rasten gedacht. Hier aber clever umfunktioniert: mit einem Feldbett, Feuerstelle, Geschirr und allem, was man für ein paar Tage braucht, wurde sie zur perfekten Wildnishütte. Davor: ein großzügiger Lagerfeuerplatz mit Sitzgelegenheiten, ein Holzschuppen voller Angel-Equipment, ein Ruderboot, ein Tourenkajak – und sogar mehrere Reusen zum Fischfang.
Ein paar Meter entfernt das obligatorische Plumpsklo – und ja, definitiv nicht so schlimm wie viele denken ;)

Links und rechts vom Kota liegen zwei Seen. Einer davon ist Mattis Privatgewässer, der andere öffentlich zugänglich. Direkt am Ufer des Privatsees steht eine Zeltsauna – eine dieser genial einfachen finnischen Ideen.

Dieser Ort hat alles, was man braucht, um wirklich in der Wildnis anzukommen. Und vor allem: absolute Ruhe.

Blick von Oben Blick von Oben

Nach einem kurzen Rundgang wollte Matti noch ein schnelles Mittagessen zubereiten. Also gingen wir gemeinsam eine der Reusen kontrollieren, die er in einem schmalen Verbindungskanal zwischen den Seen platziert hatte – keine zwei Meter breit. Und die war gut gefüllt: rund 30 Barsche, zwei Hechte, einige Weißfische. Drei der größeren Barsche wanderten direkt in den Kochtopf. Es gab Barschsuppe – nach Mattis eigenem Rezept (Rezept im Blog).
Dazu ein Sandwich – besser kann ein Abenteuer einfach nicht beginnen.

Nach dem Essen gaben mir Matti und seine Frau noch ein paar Tipps zum Angeln und ein paar Verhaltenshinweisen mit auf den Weg (ich war ja schließlich allein in der Wildnis) und machten sich dann wieder auf den Heimweg.

Zuerst wollte ich direkt loslegen – holte mein Angelzeug aus dem Auto und machte das Kajak startklar. Doch kaum war alles vorbereitet, meldete sich ein ganz anderer Wunsch: ein Kaffee.
Was im Alltag ein Knopfdruck ist, wurde hier zur kleinen Zeremonie. Kein Strom, keine Maschine – also hieß es: Holz hacken, Feuer machen, Wasser erhitzen.
Und genau in diesem Moment wurde mir bewusst, wie viel Komfort wir tagtäglich als selbstverständlich hinnehmen.
Der Aufwand war größer, ja – aber als ich schließlich mit der dampfenden Tasse am Feuer saß, wusste ich: Dass war einer der besten Kaffees meines Lebens. Nicht wegen des Geschmacks allein, sondern weil ich ihn mir wirklich erarbeitet hatte. Und weil die Zeit dabei völlig bedeutungslos wurde.

KaffeewasserKaffeewasser

Frisch gestärkt ging es aufs Wasser – mit dem Kajak auf Mattis Privatsee.
Und was soll ich sagen: Ein Weißfisch möchte man in diesem Gewässer wirklich nicht sein.
Die Hechte standen – typisch für Mai – flach und waren extrem aktiv. Schon nach wenigen Würfen ruckte es in der Rute: Ein 60er Hecht schnappte sich meinen Jerkbait. Fast jeder Spot, den ich ansteuerte, lieferte Fisch.

Im Kanu mit Hecht.jpgIm Kanu mit Hecht.jpg

Der große Vorteil des Kajaks: Man ist nahezu geräuschlos unterwegs, kann sich flach anpirschen und kommt auch an seichte Stellen problemlos ran. Nach dem sechsten oder siebten Hecht (so genau weiß ich das wirklich nicht mehr) paddelte ich zufrieden zurück ans Ufer. Ich war komplett im Moment – mit mir, der Natur und dieser unglaublichen Stille.

Das Abendessen bereitete ich wieder im Kota zu: Holz hacken, Feuer machen – Routine. Es gab aufgespießte Lenkkimakkara (eine in ihrer Konsistenz schwer beschreibbare, aber überraschend leckere Wurst) und Steaks. Dazu ein kühles Bier.
Wildnis, Feuer, gutes Essen – was braucht man mehr?

Am Lagerfeuer .jpgAm Lagerfeuer .jpg

Ich verbrachte den Abend am Lagerfeuer, blickte auf den See und genoss die nie ganz untergehende Sonne. Der Mai in Finnland ist magisch.


Der Tag danach – Begegnungen der besonderen Art

Auch der nächste Morgen begann wie gewohnt: Feuer machen, Kaffee, Sandwich.

Frühstück.jpgFrühstück.jpg

Heute wollte ich den öffentlichen See erkunden. Die Bedingungen waren schwieriger, die Fische weniger kooperativ – außer einem verlorenen Biss tat sich nichts. Etwas frustriert paddelte ich zurück. Noch ahnte ich nicht, dass ich mich gerade einem der intensivsten Momente meiner gesamten Reise näherte.

Kurz vor dem Ufer bemerkte ich, dass sich mein Blinker in einem der Spanngurte verfangen hatte. Während ich mich darum kümmerte, trieb ich langsam auf meine Hütte zu – ohne es zu merken.
Und dann sah ich ihn.
Keine 30 Meter vor mir, mit dem Rücken zu mir gedreht: Ein stattlicher Braunbär. Direkt vor meiner Kota.

Ich erstarrte. In mir kämpften der Schreck und Faszination zugleich. Dieser Moment – surreal.
Nach gefühlt endlosen Minuten versuchte ich leise meine GoPro zu starten, doch schon das kleine Geräusch meiner Schwimmweste reichte – der Bär drehte sich um und verschwand lautlos im Wald. Ich hätte nie gedacht, dass ein Tier dieser Größe so geräuschlos sein kann.

Nach dem ersten Schock kontrollierte ich mein Lager. War etwas offen geblieben? Hatte ich Essen draußen liegen lassen? Nein – der Bär war offenbar ebenso neugierig wie rücksichtsvoll. Ich war erleichtert.

Seeblick KotaSeeblick Kota

Nach einem „kurzen“ Kaffee ging es nochmal raus auf den See – das Ziel: Räucherhecht fürs Abendessen.

Nach einer ausgedehnten Schlepptour über den See schnappte sich schließlich ein Hecht in perfekter Essensgröße meinen Köder – genau das, worauf ich gehofft hatte.
Da ich kulinarisch alles auf eine Karte gesetzt hatte und außer ein paar Kartoffeln nichts mehr dabei hatte, wollte ich kein Risiko eingehen: Ich betäubte den Fisch, tötete ihn waidgerecht und nahm ihn wenig später direkt am Seeufer aus.

Im Kanu mit Hecht 2.jpgIm Kanu mit Hecht 2.jpg

Die Kiemen entfernt, die Haut leicht eingeschnitten, etwas Salz darüber – dann wanderte der Hecht in Mattis mobilen Räucherofen.
Ein einfacher Metallkasten mit Holzspänen und Tannenzweigen, ein Rost für den Fisch, der Kasten kommt aufs Feuer, der Rauch macht den Rest. Kein Hightech-Gerät, keine digitale Temperaturanzeige – aber der Duft, der aus dem Ofen stieg, war unvergleichlich.


Und als ich den Fisch schließlich aus dem Rauch nahm, war klar: Garpunkt perfekt getroffen, goldbraun glänzend, herrlich aromatisch. Einfach und richtig lecker. Nach dem Räuchern drehte ich noch eine Runde mit dem Kajak – gegen Abend wurden die Hechte wieder aktiv. Drei? Vier? Ich habe aufgehört zu zählen. Zeit spielte keine Rolle. Es war dieses Angeln, das man nicht vergisst – ruhig, gelassen, intensiv.

Im Kanu mit Hecht 3.jpgIm Kanu mit Hecht 3.jpg


Sauna, Elch und pure Dankbarkeit

Zum krönenden Abschluss des Tages heizte ich die Zeltsauna ein. In 10 Minuten war sie warm. Durch das kleine Sichtfenster sah ich die Sonne langsam hinter dem See verschwinden. Geduscht wurde im See mit biologisch abbaubarem Shampoo – völlig ausreichend.

Zurück in der Kota entfachte ich das Feuer für die Kartoffeln, die zum Fisch serviert werden sollten. Das Bier war kalt und ich freute mich auf einen entspannten Abend ganz für mich allein. Ich ließ mich nieder, lauschte dem Knistern der Flammen und genoss die Stille – vielleicht ein bisschen zu sehr.

Hätte ich nur einmal kurz aus dem Fenster geschaut, wäre mir bewusst geworden, was direkt vor meiner Tür stand…

Ich stand auf, um die Kartoffeln aus dem Auto zu holen, öffnete die Tür – und plötzlich brach ein ohrenbetäubendes Krachen los, das durch Mark und Bein ging.

So klingt es nämlich, wenn eine Elchkuh mit knapp 400 Kilo und ihr Kalb direkt vor deiner Hütte stehen und im nächsten Moment panisch Reißaus nehmen. Wahrscheinlich hatten sie sich genauso erschrocken wie ich.

Wie viele Herzschläge ich in dem Moment ausgesetzt habe, kann ich nicht sagen – aber es dauerte ein paar Sekunden, bis ich wieder reagieren konnte. Dann schnappte ich mir mein Handy und schaffte es tatsächlich noch, die beiden zu filmen, wie sie den See überquerten, hinüber zum gegenüberliegenden Ufer.

Ich stand bestimmt zehn, fünfzehn Minuten reglos am Ufer, starrte aufs Wasser und lauschte den Rufen – tiefe Laute, mit denen sich Kuh und Kalb gegenseitig Orientierung gaben, um sich nicht zu verlieren.

Elch KuhElch Kuh

Ich habe schon viel Zeit in Finnland verbracht – aber dieser Tag war etwas ganz Besonderes.
Bär und Elch an einem Tag. Wildnis pur. Und in mir: nichts als Dankbarkeit.

Natürlich – solche Begegnungen sind nicht ungefährlich. Aber sie waren mit die intensivsten Naturerlebnisse, die ich je hatte.

Der Tag endete mit Räucherhecht, Kartoffeln aus dem Feuer und ein oder zwei Lappinkulta (finnisches Bier, blaue Dose mit rotem Stern). Nur das leise Rufen der Sterntaucher durchbrach die absolute Stille. Ich sog jede Sekunde dieses Abends in mich auf – denn am nächsten Morgen ging es weiter. Aber das hier? Das bleibt.

KotaKota